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Arbeitsmarkt

Darum arbeiten Arbeitslose nicht

Warum arbeiten gehen, wenn man fürs Nichtstun fast genauso gut bezahlt wird? Die Liste der vermeintlichen Argumente, warum Arbeitslose nicht arbeiten, ist lang. Ein Blick auf die Fakten beweist jedoch: Weder Unwillen noch ein zu hohes Arbeitslosengeld sind die Gründe

In Österreich sind pro Jahr rund eine Million Menschen – zumindest kurzfristig – arbeitslos. Treffen kann es also alle, und für diesen Notfall wollen wir abgesichert sein. Mit 55 Prozent des „letzten" Nettoeinkommens, das Arbeitslose derzeit an Arbeitslosengeld bekommen, ist es aber schwierig, auszukommen. Und in Wahrheit ist es sogar nur rund die Hälfte.  

Der Grund: Die Gehälter, die zur Berechnung der Grundlage herangezogen werden, liegen in der Regel um mindestens zwölf Monate zurück. Gehaltserhöhungen und Teuerung werden also nicht berücksichtigt. Das führt dazu, dass die Nettoersatzrate sinkt und so deutlich weniger am Konto landet. Von sozialer Hängematte, in der man es sich gemütlich macht und ein High-Life lebt, kann also nicht die Rede sein. 

 

Wer zum Beispiel seit 1. April 2024 arbeitslos ist, dessen Berechnungsgrundlage für die Höhe des Arbeitslosengeldes liegt fast zur Gänze im Jahr 2022 – also noch bevor die Löhne überhaupt an die massive Inflation der letzten Monate angepasst wurden. Es werden also die Einkommen der Monate im Jahr 2022 herangezogen und nicht jene, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitslosigkeit im Jahr 2023 und 2024 liegen.

Der ÖGB fordert:
  • Anhebung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf 70 Prozent.
  • Angemessene Anpassung der Deckelung des Ergänzungsbetrages.
  • Anhebung der Familienzuschläge auf fünf Euro täglich pro Familienmitglied.
  • Anpassung an die Teuerung (= Valorisierung) aller laufenden Leistungen in der Arbeitslosenversicherung.
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Arbeitslosengeld finanziert Leben an der Armutsgrenze 

Wer von heute auf morgen nur mehr die Hälfte seines Einkommens zur Verfügung hat, läuft Gefahr, in die Armut abzurutschen. 93,9 Prozent aller Arbeitslosen bekommen weniger (Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) als die Armutsgefährdungsschwelle von 1.572 Euro. Damit lässt sich kein High-Life leben. Diese Zahl belegt: Fast alle Arbeitslose in Österreich sind armutsgefährdet. 

Teuerung befeuert Armut 

Wohnen, Energie und Nahrungsmittel sind in den letzten Jahren viel teurer geworden. Durchschnittliche Inflationsraten von rund 10 Prozent sind für (Langzeit-)Arbeitslose besonders gefährlich, weil das Arbeitslosengeld gleich niedrig bleibt, während alles andere teurer wird. 

Während ein Liter Orangensaft im Dezember 2022 1,89 Euro gekostet hat, müssen wir jetzt mehr als das doppelte (2,99 Euro im Dezember 2023) dafür bezahlen. Olivenöl ist heute um 46 Prozent teurer, Reis um 26 Prozent und ein Marken-Deo, das im Dezember 2022 noch 2,14 Euro gekostet hat, kostet jetzt mit 3,87 Euro sogar 81,2 Prozent mehr. 

Warum arbeiten, wenn man gratis Kinder betreuen kann?  

Vor allem für Frauen stellt sich die Frage, wie sie überhaupt arbeiten gehen sollen, obwohl sie wollen. Denn flächendeckende, kostengünstige Kinderbildungseinrichtungen gibt es trotz jahrelanger Forderung des ÖGB noch immer nicht. Und da noch immer hauptsächlich Frauen Care-Arbeit (Haushaltsarbeiten oder Betreuung von Angehörigen) leisten, verzichten viele darauf, arbeiten zu gehen oder haben schlicht keine Zeit dazu. Dazu kommt, dass sie in vielen Fällen keine geeigneten Jobs finden würden, mit denen sich Betreuungspflichten vereinbaren ließen. 

Die Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung bestätigt genau das: Während Betreuungspflichten von Kindern und Angehörigen für Frauen ein Grund sind, sich keinen Job zu suchen, spielt das bei Männern kaum bis keine Rolle. 

Gesundheitliche Einschränkungen und das Fehlen passender Arbeitsmöglichkeiten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für die Jobsuche. Dies zeigt, wie wichtig Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Förderung von Bildung und Trainingsmaßnahmen sind, um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. 

Keine Jobs für Ältere  

Ältere Arbeitnehmer:innen bringen viel Berufserfahrung mit und stehen loyaler zum Unternehmen als Jüngere. Sind sie auf Arbeitssuche, wird trotzdem auf ihre Expertise verzichtet, obwohl quer durch alle Branchen Arbeitskräfte gebraucht werden. Fakt ist, dass Arbeitslose über 50 schwer wieder Beschäftigung finden. Die größte Herausforderung ist die Überwindung von Vorurteilen, die ihnen immer noch entgegengebracht wird. Und da sind auch sehr gut ausgebildete Arbeitnehmer:innen nicht ausgenommen, vor allem, weil ihnen automatisch unterstellt wird, dass sie nicht nur zu wenig flexibel, sondern auch zu „teuer“ sind. 

Kein Bock auf miese Arbeitsbedingungen 

Zu guter Letzt wäre da noch das Thema Wertschätzung, die viele Arbeitgeber ihren Mitarbeiter:innen vorenthalten. Miese Bezahlung, unbezahlte Überstunden (47 Millionen im Jahr 2023), überlange Arbeitstage, keine Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren, sich weiterzubilden, flexibel Urlaub zu nehmen oder im Homeoffice arbeiten zu können, sind Arbeitsbedingungen, die Arbeitnehmer:innen heutzutage nicht mehr stillschweigend akzeptieren wollen. Arbeitgeber, die solche Jobs und Arbeitsbedingungen anbieten, brauchen sich dann auch nicht wundern, wenn niemand bei ihnen arbeiten will.  

Wer Arbeitslose im Wissen dieser Fakten noch immer pauschal als faul bezeichnet, liegt nicht nur falsch, sondern will es einfach nicht verstehen. Es müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden, denn am Willen der Arbeitssuchenden, sich Arbeit zu suchen, liegt es nicht. 

 

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